Titel Jahrbuch
Friedrichshafener Jahrbuch

für Geschichte und Kultur 2008, Band 2
Die Aufsätze:
Brigitte Rieger-Benkel
Das Brouillon von 1824 - Ein wichtiges Dokument zur frühen Stadtgeschichte Friedrichshafens
Heike Vogel
„Die Stadt Friedrichshafen Ihren Teilnehmern am Weltkrieg 1914–1918“ – Kontinuität eines Denkmals
Paul J. Fundel
Die Dornier-Siedlung in Friedrichshafen-Manzell
Martin Kohler
„Auf Wiedersehn!“ – Feldpostbriefe des Soldaten Franz Eichschmid von 1941 bis 1944
Hartmut Semmler
Die Provisorische Stadt – Wohnen und Bauen in Friedrichshafen von 1945 bis 1950
Jürgen Oellers
Die Zeppelin-Stiftung
Hartmut Semmler
„Liebe Wohltäter!“ – Kinder- und Jugendförderung der Zeppelin-Stiftung in der Nachkriegszeit
Die Zeppelin-Stiftung feiert 2008 ihr 100jähriges Jubiläum, das mit dem Echterdinger Luftschiff-Unglück und dem Beginn der Volksspende am 5. August 1908, der Errichtung der Zeppelin-Stiftung am 8. September 1908 und der Erlangung ihrer Rechtsfähigkeit am 1. April 1909 zeitlich weit gestreckt werden kann. Eine Gesamtdarstellung und ein Aufsatz zur Kinder- und Jugendförderung in der Nachkriegszeit widmen sich der Zeppe-lin-Stiftung. Beiträge zur Dornier-Siedlung, zu den Erlebnissen eines jungen Flak-Soldaten und zum Behelfswohnungsbau beschäftigen sich mit der Zeit unmittelbar vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine kunsthistorische Einschätzung des in der Endzeit der Weimarer Republik heftig umstrittenen Kriegerdenkmals und eine Darstellung des Altstadtkatasters aus dem Jahr 1824 illustrieren bislang kaum beachtete Aspekte der Friedrichshafener Stadtgeschichte.

Brigitte Rieger-Benkel
Brigitte Rieger-Benkel

Das Brouillon von 1824 - Ein wichtiges Dokument zur frühen Stadtgeschichte Friedrichshafens

Mit der Auswertung des Brouillons von 1824 - der ersten noch skizzenhaften Aufzeichnung über Lage und Größe von Grundstücken mit Nennung der Hausbesitzer - beleuchtet die Autorin erstmals ein wichtiges städteplanerisches Moment der jungen Stadt Friedrichshafen, die aus den Orten Buchhorn und Hofen im Jahr 1811 hervorgegangen war. Diese vom Geometer Pandtle im Sommer 1824 vorgenommenen Vorarbeiten dienten als Basis für die Erstellung des Urkatasters. Durch das Brouillon lässt sich der mittelalterliche Grundriss der kleinen Reichsstadt Buchhorn relativ genau rekonstruieren, so z. B. die Lage von Rathaus, Kirche, Kornhaus, Gred, Spital, Zollhaus, Waschhäuser sowie die Besitzungen verschiedener Klöster. Die Autorin schildert sehr detailliert die Besiedlung der Neustadt entlang der Verbindungsstraße von Buchhorn zum Schloss Hofen und zeigt außerdem auf, welche Bezüge es zwischen sozialer Stellung der ‚Altstadt’-Bewohner und der Lage ihrer Wohngebäude gab.


Heike Vogel
Heike Vogel

"Die Stadt Friedrichshafen Ihren Teilnehmern am Weltkrieg 1914–1918" – Kontinuität eines Denkmals

Das Kriegerdenkmal in den Uferanlagen wurde nach Durchführung eines Wettbewerbs vom Ludwigsburger Bildhauer Erwin Dauner entworfen und am Totensonntag 1930 eingeweiht. Dauner, ein gefragter Spezialist in Sachen Helden- und Kriegerverehrung, übersteigerte mit dem Friedrichshafener Kriegerdenkmal das damals übliche Gedenken an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten mit der Darstellung eines verwundeten bzw. sich dem erneuten Kampf stellenden Soldaten. Entstehungsgeschichte und Hintergründe dieses schon damals umstrittenen Denkmals werden von Heike Vogel ebenso dargestellt wie das künstlerische Schaffen Dauners im Dritten Reich. 2004 erfuhr das Kriegerdenkmal eine Erweiterung und Umgestaltung, die nicht unproblematisch war: Rund um das Krieger-Denkmal wurden sechs Obelisken mit den Namen der im Zweiten Weltkrieg getöteten Friedrichshafener Soldaten bzw. Namenlisten ziviler Opfer der Luftangriffe auf die Stadt aufgestellt. Außerdem wurde auf zwei Findlingen mit kleinen Tafeln der umgekommenen Flüchtlinge und „Menschen aus verschiedenen Nationen“ gedacht.


Paul J. Fundel
Paul J. Fundel

Die Dornier-Siedlung in Friedrichshafen-Manzell

Der Beitrag stellt die Entstehungsgeschichte der Dornier-Siedlung in Friedrichshafen detailliert dar. Diese Arbeitersiedlung, die für die Belegschaft der 1932 aus dem Zeppelin-Konzern ausgeschiedenen Dornier-Werke errichtet wurde, ist in architektonischer und kunsthistorischer Hinsicht nicht sonderlich spektakulär. Diese Arbeitersiedlung zeigt – als typisches Beispiel des NS-Wohnungsbaus – aber baugeschichtlich interessante und bemerkenswerte Aspekte. Wie kaum ein anderes größeres Wohnbauprojekt der Großindustrie dieser Zeit dokumentiert es die staatliche Reglementierung solcher Wohnsiedlungs-Projekte kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs: Was an behördlicher Unterstützung fehlte, machten die privaten Grundstücksbesitzer und Bauherren durch persönlichen Einsatz wieder wett. So entstand eine Arbeitersiedlung mit einfach ausgestatteten Einfamilienhäusern, in der – entgegen der nationalsozialistischen Zielsetzung – sogar ein evangelisches Gemeindezentrum verwirklicht werden konnte. Bis heute zählt die Dornier-Siedlung zu den markanten Wohnanlagen für Industriearbeiter der Zwischenkriegszeit in Süddeutschland.


Martin Kohler
Martin Kohler

„Auf Wiedersehn!“ – Feldpostbriefe des Soldaten Franz Eichschmid von 1941 bis 1944

Seit Ende der 1930er Jahre und insbesondere nach den Luftangriffen ab 1943 wurde Friedrichshafen systematisch zur Flakfestung ausgebaut. Martin Kohler schildert die Situation der hier stationierten Flaksoldaten am Beispiel des jungen Franz Eichschmids, der zwischen 1941 und 1944 in Friedrichshafen eingesetzt war und insgesamt 280 Briefe nach Hause schrieb. Darin äußerte er sich unter anderem über die allgemeine Kriegslage, die Rekrutenausbildung, die Gefährdungslage bei den insgesamt elf Luftangriffen auf Friedrichshafen sowie über die Unterkunft und Verpflegung der meist jungen Flak-Soldaten. Der Beitrag hebt als Fazit hervor: Je näher der Krieg die Stadt Friedrichshafen unmittelbar betraf, umso mehr wich die anfängliche Begeisterung des jugendlichen Eichschmid einer großen Skepsis gegenüber den NS-Propagandaparolen, bis es ihm schließlich nur noch ums Überleben ging.


Hartmut Semmler
Hartmut Semmler

Die Provisorische Stadt – Wohnen und Bauen in Friedrichshafen von 1945 bis 1950

Die Bezeichnung „provisorische Stadt“ wird vom Autor als „behelfsmäßige Lösungen im großen Umfang und auf allen Ebenen“ in der Nachkriegszeit charakterisiert. Mit welchen außerordentlichen Schwierigkeiten sich städtische Angestellte, insbesondere die Beamten des Friedrichshafener Wohnungsamts, in den ersten Nachkriegsjahren auseinandersetzen mussten, verdeutlichen diese provisorisch angelegten Wohnbauten einer vom Krieg zerstörten Industriestadt. Vor allem Engpässe personeller und materieller Art sowie die schlechte Koordination zwischen Stadtverwaltung, Besatzungsmacht und staatlichen Behörden setzten enge Grenzen. Der Friedrichshafener Großindustrie, aber auch den mittleren und kleineren Unternehmen, mangelte es an Arbeitskräften und an Wohnraum. Der Beitrag verdeutlicht auch hinsichtlich der sozialen Nöte und Beeinträchtigungen den schwierigen Neuanfang Friedrichshafens, der erst nach der Währungsreform ab 1950 mit den ersten Bauprogrammen so richtig in Schwung kam.


Jürgen Oellers
Jürgen Oellers

Die Zeppelin-Stiftung

In einer Überblicksdarstellung wird die 100jährige Geschichte der Zeppelin-Stiftung betrachtet, die sich in zwei Phasen unterteilen lässt: als selbständige Unternehmensstiftung von 1908 bis 1945 und nach kurzer Übergangszeit als rechtlich unselbständige kommunale Stiftung ab 1947. Der Beitrag greift alle relevanten Entwicklungen der Stiftungsgeschichte auf und setzt Akzente auf bislang weniger bekannte, aber für das Verständnis wichtige Aspekte der Geschichte der Zeppelin-Stiftung: Zum einen auf die frühen Versuche des Grafen Zeppelin zur Unternehmensgründung vor der eigentlichen Stiftungsgründung, zum anderen auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Zeppelin-Stiftung im Zuge der alliierten Entflechtung von Rüstungsunternehmen als mildtätige und später gemeinnützige Stiftung zur Stadt Friedrichshafen kam. Die Zeppelin-Stiftung hat sich mittlerweile als überaus erfolgreiches Modell des Zusammenwirkens von Industrie und öffentlicher Hand erwiesen und ist heute eine der größten gemeinnützigen Stiftungen bundesweit.


Hartmut Semmler
Hartmut Semmler

„Liebe Wohltäter!“ – Kinder- und Jugendförderung der Zeppelin-Stiftung in der Nachkriegszeit

Im Rahmen des 100jährigen Jubiläums der Zeppelin-Stiftung sich des Themas „Kinder und Jugendliche nach 1945“ zu widmen ist besonders beachtenswert, da der gemäß Satzung verbriefte „gemeinnützige und mildtätige“ Zweck der Zeppelin-Stiftung sehr anschaulich aufgezeigt werden kann. Ein Stück Nachkriegsgeschichte der damals jüngeren und jüngsten Bürger – die meisten von ihnen befinden sich heute im Pensionärs- und Rentenalter – bietet der Aufsatz auf besondere Weise: So bringt er nicht nur Zuschüsse und Beihilfen für kirchliche und soziale Feierlichkeiten (Kommunion, Konfirmation, Seehasenfest etc.) in Erinnerung, sondern auch sommerliche Fahrten in den Bregenzerwald, ins Donautal oder ins liechtensteinische Ferienlager. Als ‚Geschichte von unten’ leistet der Beitrag von Hartmut Semmler allerdings nicht nur nostalgische Rückblicke, sondern beschreibt auch, welche Probleme sich bei der Erteilung von fürsorglichen Leistungen ergaben (Traumatisierungen, Flüchtlinge, Wohnungsnot). Überdies werden auch die gesellschaftlichen Veränderungen bis in die 1980er Jahre miteinbezogen, sodass eine sozialgeschichtliche Einschätzung des Wirkens der Zeppelin-Stiftung möglich ist.